Das Historische Archiv des Germanischen Nationalmuseums (seit 1852)
Als 1852 das Germanische Museum (heute Germanisches Nationalmuseum) gegründet wurde, richtete man neben der Bibliothek und den Sammlungen auch ein Archiv ein. Der Museumsgründer Hans Freiherr von und zu Aufseß verfolgte mit diesem den Plan, Quellenmaterial zur Kulturgeschichte des gesamten deutschen Sprachraums zusammenzutragen. Dabei ging es ihm zunächst weniger um den Besitz von Originalen als um die Verfügbarkeit inhaltlicher Informationen. Er wollte mit seinem „Generalrepertorium“ eine Art gesamtdeutschen Zentralkatalog einrichten. Als sich dieses Unterfangen bald als unrealistisch herausstellte, widmete er sich verstärkt dem Erwerb von Originaldokumenten zur Geschichte der deutschsprachigen Länder. Auch Autografen und schriftliche Nachlässe wurden gesammelt.
Die Einrichtung des Archivs für Bildende Kunst unter der Leitung von Ludwig Veit (1958-1985)
Einen neuen Impuls erhielt das Archiv 1958, also gut ein Jahrhundert nach der Gründung des Museums, als der neue Archivdirektor Ludwig Veit – unterstützt durch den Generaldirektor Ludwig Grote den Vorstoß unternahm, Nürnberg zu der zentralen Anlaufstelle für Quellenforschung zur bildenden Kunst in Deutschland zu machen. Mit finanzieller Hilfe durch die Fritz Thyssen Stiftung, später auch durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, und unterstützt durch den neuen Gelneraldiektor Erich Steingräber etablierten Veit und sein Team einige Außenstellen in anderen deutschen Städten und legten eine Zentralkartei an, um die gesamte deutschsprachige Künstlerkorrespondenz in allen in Frage kommenden Archiven und Bibliotheken nachzuweisen – dreifach sortiert nach Absender, Empfänger und Lagerort. In Nürnberg sollte jeder Auskunft erhalten, wo welche Künstlerbriefe aufbewahrt wurden. Die Kartei wurde bis Mitte der 1980er Jahre geführt, so dass sie auf ein enormes Volumen von rund 80.000 Karteikarten anwuchs.
Den zweiten Schwerpunkt legte das Archiv auf die Sicherung schriftlicher Nachlässe. So entstand eine zentrale Sammelstelle für private Nachlässe von Künstler/innen und Kunstwissenschaftler/innen, wie sie bereits für die Archive von Literaten in Weimar oder Marbach existierte. 1964 begannen Veit und seine Mitstreiter mit einer weitreichenden Kampagne: Mit hohem Rechercheaufwand machten sie die Erben bedeutender Künstler/innen und Kunstwissenschaftler/innen ausfindig, erläuterten ihnen ihr Anliegen und erreichten durch geschickte Verhandlungsführung den Erwerb zahlreicher schriftlicher Nachlässe, bald auch Vorlässe. Damit war das „Archiv für Bildende Kunst“ – neben dem „Historischen Archiv“ – ins Leben gerufen.
Die ersten Bestände, die das Archiv in den frühen 1970er Jahren ins Haus holte, waren unter anderem die von Kurt Badt, Ludwig Curtius, Otto Dix, Richard Graul, Ludwig Grote, Erich Heckel, Heinrich Kohlhaussen, August Macke, Franz Marc, Ernst May, Max Raphael, Edwin Redslob und Richard Riemerschmid. Viele weitere folgten.
Die Ausstellungsreihe (seit 1976)
Um die fortgeschrittene Arbeit des Archivs auch nach außen sichtbar zu machen, wurde 1976 eine Ausstellungsreihe unter dem Titel „Materialien. Dokumente zu Leben und Werk“ ins Leben gerufen, die einem größeren Publikum anhand von Exponaten und Dokumenten Leben und Werk ausgewählter Künstler vorstellte. Die erste Präsentation war Charles Crodel gewidmet, es folgten Ausstellungen zu Otto Dix, Bernhard Bleecker und Gerhard Marcks. Anlässlich der aufwändiger arrangierten Schau zu Ernst Wilhelm Nay benannte man die Reihe 1980 in „Werke und Dokumente“ um. Diese wird bis heute fortgesetzt und offerierte bislang 23 monografische Ausstellungen. Die letzte fand 2011/2012 statt und stellte den vielseitigen Künstler Johannes Grützke vor.
Das Archiv für Bildende Kunst unter der Leitung von Irmtraud von Andrian-Werburg (1986-2007)
Auf Ludwig Veit folgte 1986 Irmtraud von Andrian-Werburg als Archivdirektorin, die mit ihrem Team die Arbeit erfolgreich fortführte. Es wurden die schriftlichen Materialien von Eberhard Fiebig, Olaf Gulbransson, Otto Herbert Hajek, Wilhelm Loth, Gerhard Marcks, Kurt Martin, Bernard Schultze, Heinz Trökes und vielen mehr akquiriert. Die wissenschaftliche Verzeichnung wurde professionalisiert und Bestandsbeschreibungen erarbeitet, die seit 2002 über das Bundesarchiv im Internet abrufbar sind. Auch die parallel geführte Zeitungsausschnittsammlung wuchs beträchtlich. Unter ihre Leitung fiel auch 1992/1993 der Umzug der Archivalien in den Neubau des Germanischen Nationalmuseums in der Kartäusergasse, wo erstmals adäquate Depotflächen zur Verfügung standen. Im Laufe der Jahrzehnte nahm die Anzahl der Bestände rasant zu, so dass das „Archiv für Bildende Kunst“ bald den Umfang des „Historischen Archivs“ überschritten hatte.
Das Deutsche Kunstarchiv unter der Leitung von Birgit Jooss (seit 2007)
Um seiner gewachsenen Bedeutung gerecht zu werden, trennte man 2007 die beiden Einheiten verwaltungstechnisch, so dass zwei gleichrangige Abteilungen innerhalb des Germanischen Nationalmuseums entstanden. Die Leitung des „Archivs für Bildende Kunst“ übernahm nun Birgit Jooss, die es im Januar 2008 in „Deutsches Kunstarchiv“ umbenannte.
2009 wurde eine Datenbank angeschafft, die 2014 online ging. Es gelang, weitere wichtige Bestände zu akquirieren, darunter die Vor- und Nachlässe von Emil Cimiotti, Otto Dressler, Lothar Fischer, Günter Fruhtrunk, Ludger Gerdes, Johannes Grützke, Bernhard Heisig, Hans Kauffmann und Georg Kauffmann, Stefan Moses, Doris Schmidt, Martin Warnke und dem Ulmer Verein. Inzwischen sind es 1.392 Bestände auf rund 2.900 laufenden Regalmetern.
Vortragsreihe (seit 2008)
Als weitere Neuerung wurde 2008 eine Vortragsreihe unter dem Titel „Aus dem Deutschen Kunstarchiv“ ins Leben gerufen, die mit durchschnittlich 150 Zuhörer/innen pro Abend großes Interesse findet. Einmal im Quartal werden neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die Forscher/innen aus ihrer Arbeit im Archiv gewinnen, einem kunstinteressierten Publikum vorgestellt. Die Vorträge werden von kleinen Vitrinenausstellungen begleitet, die das jeweilige Thema anhand von Originaldokumenten aus dem Deutschen Kunstarchiv illustrieren.
Digitale Projekte (seit 2010)
Ein neuer Schwerpunkt wird nun auch auf digitale Projekte gelegt, darunter die Forschungsdatenbank Galerie Heinemann online, die als Arbeitsinstrument für die Provenienzforschung eingerichtet und 2010 frei geschaltet wurde. Rund 43.000 gehandelte Kunstwerke und 13.000 Personen oder Institutionen, die in den Handel involviert waren, werden hier zur Recherche angeboten. Grundlage waren die Geschäftsunterlagen der Münchner Galerie Heinemann (1872-1938). Auch für die virtuelle Ausstellung Künste im Exil, die federführend durch die Deutsche Nationalbibliothek betreut wird, konnte das Deutsche Kunstarchiv Texte und Bilder beisteuern. Es folgten die Projekte DigiPortA - Digitalisierung und Erschließung von Porträtbeständen in Archiven der Leibniz-Gemeinschaft sowie Die Gesichter des Deutschen Kunstarchivs, welches die erste virtuelle Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums darstellt.
Stand: Oktober 2014